Du musst Dich nicht immer lieben.

Wer auf Instagram nach #Selbstliebe sucht, wird mit mehr als drei Millionen Beiträgen überschwemmt. Von inspirierenden Sprüchen bis hin zu “authentischen” Fotos, bei denen sich Personen in vermeintlich unvorteilhaften Positionen präsentieren. Die Botschaft: Du bist liebenswert, genauso wie Du bist. Aber müssen wir wirklich jeden Aspekt von uns selbst lieben?

Frau ist in schönem Abendlicht von hinten zu sehen, wie sie mit ihren Fingern ein Herz formt.
Bildquelle: Jackson David über Unsplash

Wie Social Media das Selbstbild beeinflusst

Per Definition beschreibt der Begriff Selbstliebe die Fähigkeit, sich selbst mit allen Stärken und Schwächen anzunehmen und wertzuschätzen.1 Das Phänomen an sich ist nicht neu, schon Oscar Wilde bezeichnete die Liebe zu sich selbst als den Beginn einer lebenslangen Romanze. In Zeiten von Social Media erlebt das Thema jedoch einen starken Aufschwung – was auf der einen Seite plausibel und wichtig ist. Schließlich werden Jugendliche mit schätzungsweise 5.000 Bildern pro Woche konfrontiert, die ihnen ein Idealbild vorgaukeln.2 Das Problem: Gerade in der Pubertät ist das Selbstwertgefühl sehr fragil, weil sich der eigene Körper verändert. In der Übergangszeit vom Kindesalter in die Jugend können dadurch Unsicherheiten entstehen.2 Daher vergleichen sich Jugendliche besonders häufig, sowohl im Real Life als auch über Social Media. Meistens findet dabei ein Aufwärtsvergleich statt, bei dem man selbst immer schlechter abschneidet.3,4

Warum die Selbstliebe-Bewegung auf Social Media problematisch ist

Kurzum: Schönheitsideale auf Social Media setzen uns unter Druck und können unserem Selbstwert massiv schaden. Aus dieser Perspektive ist es begrüßenswert, die eigenen Makel “für mehr Realität auf Instagram” beispielsweise unter dem Hashtag #BodyPositivity zu teilen. Andererseits wird der Selbstliebe-Begriff auch oft missbraucht – etwa wenn sich normschöne, schlanke und trainierte Personen absichtlich in einem schlechten Licht ablichten. Keine Frage: Diese Personen haben vielleicht trotzdem mit Selbstzweifeln zu kämpfen und alle das Recht, ihre persönlichen Struggles zu teilen. Wenn es sich jedoch weniger um Selbstliebe als schlichtweg um Selbstinszenierung handelt, bei der letztlich nichts “real” ist, ist das kritisch. Man könnte argumentieren, dass das egal ist – schließlich wird trotzdem eine gute Botschaft verbreitet. Ein großes Problem bleibt jedoch bestehen: Der Fokus liegt auf dem Äußeren. Dabei sind wir alle weit mehr als unser Körper, unsere Ernährungsweise oder unsere Fitness. Und: Es wird weiterhin ein unrealistisches Bild vermittelt. Denn bei aller Mühe werden wir nicht jeden Tag alles an uns selbst gut finden. Es gibt immer Tage, an denen wir uns nicht wohl in der eigenen Haut fühlen, uns doch wieder vergleichen oder uns gar dafür verurteilen, dass das mit der Selbstliebe nicht so klappt wie bei “allen anderen”.

Du musst Dich nicht immer lieben

Daher die Botschaft: Sich selbst zu lieben heißt nicht, dass man dies ständig nach außen tragen und auf Instagram teilen muss. Selbstliebe fängt im Innen an und verläuft dabei nicht linear. Heißt: Du musst nicht an jedem Tag jeden Aspekt an Dir lieben. Selbstliebe ist ein Prozess, der vielleicht nie ganz abgeschlossen ist. Entsprechend gibt es auch kein Geheimrezept für mehr Selbstliebe. Ein guter Merksatz ist jedoch: Social Media allein macht Dich nicht unglücklich oder glücklich, sondern Dein Umgang damit ist entscheidend.4 Du merkst, dass Dein Social-Media-Konsum Dir nicht gut tut? Höchste Zeit, Deinen Feed auszumisten oder eine Pause einzulegen und den Blick zu weiten, weg von Äußerlichkeiten und Social Media. Menschen werden sich sicher nicht daran erinnern, wie viele Likes Du auf Instagram hattest, sondern an Deine vielen anderen Facetten. Überleg doch einmal, welche Interessen, Hobbys oder Eigenschaften Dich auszeichnen! Wetten, dass Du etwas findest, worauf Du (ein bisschen) stolz bist?!

Quellen

  1. DAK Gesundheit (o. J.). Tipps für mehr Selbstliebe. https://www.dak.de/dak/meine-gesundheit/tipps-fuer-mehr-selbstliebe-2481650.html#/ 
  2. Riedhammer, J. (2022). Alle glatt, strahlend, perfekt. Deutschlandfunk Kultur. https://www.deutschlandfunkkultur.de/soziale-medien-koerper-wahrnehmung-junge-menschen-100.html
  3. Irmer, A., & Schmiedek, F. (2023). Associations between youth’s daily social media use and well-being are mediated by upward comparisons. Communications Psychology, 1(1), 12. https://doi.org/10.1038/s44271-023-00013-0
  4. Blech, P. (2020). Am I enough? Edit Magazin. https://www.edit-magazin.de/selbstliebe-und-das-schoenheitsideal-auf-social-media.html
Datum
12. Dezember 2023